Geheimgang aus dem Mittelalter entdeckt
900 Jahre alter Erdstall kam bei Baggerarbeiten in Altenfelden zum Vorschein
ALTENFELDEN. Ein Geheimgang aus dem Mittelalter ist in Steinerberg in der Gemeinde Altenfelden bei Aushub-Arbeiten zur Errichtung einer neuen Straße ans Tageslicht gekommen. In einer Tiefe von eineinhalb Metern schnitt ein Bagger einen Hohlraum an. Forscher des Landesvereins für Höhlenkunde in Oberösterreich stellten fest, dass es sich um einen von Menschenhand geschaffenen unterirdischen Geheimgang aus dem Mittelalter handelt, den Archäologen als Erdstall bezeichnen.
Der entdeckte Gang beginnt mit einer niedrigen kleinen Kammer, in die im südlichen Teil ein Schuttkegel eindrang. Die Fortsetzung führte über eine enge waagrechte 80 Zentimeter lange Engstelle, die nur auf dem Bauch robbend passiert werden kann. Nach dieser Engstelle erweitert sich der Gang, der sich winkelig fortsetzt und nach 4,5 Meter an einer Trockenmauer endet. Insgesamt ist das Gangsystem sieben Meter lang.
„Der neu entdeckte Erdstall in Steinerberg wurde vermutlich im 12. Jahrhundert angelegt, als die Gegend um Altenfelden im Mittelalter besiedelt worden ist", erklärt Josef Weichenberger, Erdstall-Experte des Oberösterreichischen Landesarchivs. Er liegt nur wenige Meter vom Bauernhof Thurnbauer entfernt. Dieser Bauernhof hat im Mittelalter zur Burg Steinerberg gehört und die Burgherren mit Lebensmitteln versorgt.” Der Zweck derartiger mittelalterlicher Bauwerke ist nicht restlos geklärt.
„Erdställe wurden im Mittelalter vermutlich als Zufluchtsanlagen angelegt. Wenn Räuberbanden durchs Land zogen, konnten sich Frauen und Kinder in solchen Geheimgängen - wie vom Erdboden verschluckt - verstecken.“
Erdstall-Besitzerin Elisabeth Hartl war verblüfft, als der Baggerfahrer das Loch auf ihrem Grundstück entdeckte. „Wir wussten zwar, dass unser Bauernhof sehr alt ist und in der Geschichte immer zur Burg Steinerberg gehört hat, aber dass es unter der Erdoberfläche einen Geheimgang gibt, hat niemand geahnt.“
In Oberösterreich sind nur noch 25 derartige unterirdische Anlagen zugänglich. Der neu entdeckte Erdstall in Steinerberg ist von besonderem Interesse für die Wissenschaft. Er ist der einzige bekannte Erdstall, der niemals fertiggestellt wurde. „Die geologischen Bedingungen sind hier alles andere als optimal für die Errichtung eines Erdstalls. Die Erbauer haben in einer sehr labilen Gesteinsschicht gearbeitet, wo verwitterter Granit und massiver Fels aufeinanderstoßen. Weil der ganze Geheimgang einsturzgefährdet war, haben die Erbauer offensichtlich vor 900 Jahren einen Baustopp verhängt", so Weichenberger.
Nähere Informationen und weitere Fotos unter www.erdstallforschung.at
Zur Sache:
Ein Erdstall ist ein im Hochmittelalter errichteter unterirdischer Gang, der nicht ausgemauert ist. Der Zweck dieser 800 bis 900 Jahre alten Anlagen ist umstritten. Sie werden entweder für Zufluchtsanlagen und Verstecke gehalten, oder für Kultstätten.
Typisch für Erdställe sind niedrige, etwa 60 Zentimeter breite Gänge, in denen es auch sogenannte “Schlupfe" gibt – Engstellen, die lediglich kriechend passiert werden können.
In Oberösterreich sind etwa 300 solche Anlagen bekannt, aber nur noch 25 erhalten und zugänglich. Der neu entdeckte Erdstall in Steinerberg ist der einzig bekannt, der niemals fertiggestellt wurde.
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