Linke Protestwelle sorgt mittlerweile für Skepsis

Hunderte Menschen protestierten vor der Bezirkshauptmannschaft gegen die Abschiebung von Lamin J. Die Beamten hinter diesen Mauern dürfen die Argumente für ihre Entscheidung aus Datenschutzgründen nicht nennen – die Demonstranten können skandieren, was sie wollen. | Foto: Die Grünen
  • Hunderte Menschen protestierten vor der Bezirkshauptmannschaft gegen die Abschiebung von Lamin J. Die Beamten hinter diesen Mauern dürfen die Argumente für ihre Entscheidung aus Datenschutzgründen nicht nennen – die Demonstranten können skandieren, was sie wollen.
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(gstr). Mit Massendemonstrationen, Protestkundgebungen und Blockaden von Polizeidienststellen versuchten Aktivisten in den vergangenen Wochen die Abschiebung des Gambiers Lamin J. zu verhindern – vergeblich. Inzwischen kommen aber auch verstärkt Zweifel an den Darstellungen der Abschiebungsgegner auf.

Es ist eine mächtige Protestmaschinerie, die von den Gegnern der Abschiebung des aus Gambia stammenden Asylwerbers Lamin J. in den vergangenen Wochen in Gang gesetzt wurde. Über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, über SMS und Massen-E-Mails wurden Flashmobs und Protestkundgebungen organisiert, mit denen die Abschiebung verhindert werden sollte. Doch während die Protestierer das Vorgehen der Behörden massiv kritisieren und Justiz und Beamtenschaft unverhohlen Unmenschlichkeit vorwerfen, werden immer mehr Stimmen laut, die eine politische Instrumentalisierung dieses Falles durch die Grünen wittern – zumal die Protestwelle zeitlich mit dem Amtsantritt einer neuen Innenministerin zusammenfiel.

„Großes Unbehagen“
Äußerst skeptisch über die Darstellung des Falles, welche vor allem führende Grün-Mandatare in der Öffentlichkeit tätigen, zeigt sich Innsbrucks VP-GRin Uschi Waibel. „Die Grünen stellen die Causa als einen Skandal dar und sind gleichzeitig aber die Einzigen, die über alle Unterlagen zu diesem Fall verfügen. Diese Unterlagen geben sie nicht bzw. nur selektiv heraus, stellen aber gleichzeitig die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen infrage“, so Waibel. Ihre Kritik wiegt umso schwerer, als Waibel selbst sehr stark im Bereich Integration engagiert ist und definitiv nicht zum rechten Flügel ihrer Partei gezählt werden kann. „Besonderes Unbehagen bereitet mir allerdings die Diktion. Gerade in Bezug auf die Verurteilung von Herrn J. tätigen die Grünen Aussagen, die der Justiz sogar Rassismus unterstellen. Ganz abgesehen davon, dass wesentliche Fragen, wie etwa das tatsächliche Alter von Lamin und der Hergang jener Vorfälle, die zu einer Verurteilung geführt haben, nie öffentlich gemacht wurden“, betont Waibel.

Versuchter Hausfriedensbruch
Auf Anfrage des STADTBLATTs bestätigt die grüne Landessprecherin Ingrid Felipe, dass Lamin J. rechtskräftig verurteilt ist. „Er wurde wegen versuchtem Hausfriedensbruch zu 960 Euro Strafe verurteilt. Diese wurde jedoch auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Vorfall an sich war jedoch eine Bagatelle. Hätte ein Österreicher dasselbe getan, wäre es wohl nicht einmal zu einer Gerichtsverhandlung gekommen“, argumentiert Felipe. Sie ist überzeugt, dass Lamin J. alle Voraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung erfüllen würde. „Er ist gut integriert, spricht Deutsch und hat sich in den vergangenen Jahren auch sozial engagiert“, so die grüne Landessprecherin.

„Fall ist differenziert zu sehen“
Christof Gstrein, bei der Jugendwohlfahrt des Landes für die Begleitung von minderjährigen Asylwerbern zuständig, war von Anfang an mit dem Schicksal von Lamin J. befasst und kennt den Fall seit nunmehr vier Jahren. „Die Causa ist keine eindeutige Geschichte. Lamin kam vor vier Jahren nach Österreich – damals war er 16“, schildert Gstrein. Allerdings bestätigt der Beamte auch, dass damals keine Altersbestimmung bei Lamin vorgenommen wurde. „Als Minderjähriger wurde Lamin schließlich in einem SOS-Kinderdorf untergebracht. Dort besuchte er die Campusschule und leistete gemeinnützige Arbeit. Er hat sich in die Gemeinschaft dort sehr gut integriert“, betont Gstrein. In Bezug auf das Asylverfahren, nach dessen negativer Bescheidung Lamin J. nun abgeschoben wurde, erläutert Gstrein, dass die erste Instanz – das Bundesasylamt – das Ansuchen auf Asyl bereits vier Monate nach Antragstellung negativ beurteilt hat. Es folgte ein Berufungsverfahren und eine Bestätigung des Urteils durch die zweite Instanz. Im November 2010 wurde schließlich auch eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof abgewiesen, womit der negative Asylbescheid seit diesem Zeitpunkt rechtskräftig ist. Letzte Hoffnung für Lamin war schließlich ein sogenanntes Niederlassungsverfahren. In einem solchen Verfahren müssen die Argumente für und gegen einen Verbleib in Österreich gegeneinander abgewogen werden. „Lamins Fall war hier an der Grenze. Wenn er schon fünf Jahre hier wäre und nicht rechtskräftig verurteilt wäre, hätte er wohl gute Chancen gehabt, bleiben zu dürfen. Leider hat die Behörde in diesem strittigen Fall anders entschieden“, erklärt Gstrein, der Lamin J. eine positive Prognose ausgestellt hätte.

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