Mythos und Psychodrama in Absam

Foto: Theaterhaufen Hall
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Im Tirol der Fünfziger- und Sechzigerjahre brachte es Guido Zingerle, ein mehrfacher Frauenmörder, zu makabrem Ruhm. Die umtriebige Allrounderin Traudl Lener aus Hall hat den inzwischen historischen Stoff aufgegriffen und mit Andy Aigner das Stück „Gemma Zingerle schaugn“ geschrieben – vielleicht nicht in allem authentisch, aber mit Phantasie und Tiefgang erzählt.

ABSAM. Der Name „Zingerle“ fand früher auch als Drohung im damals rustikalen Erziehungswesen Anwendung. Auch wenn das Stück in den Räumen der „Absamer Naturbetten-Erzeugung“ gespielt wird (die ehrwürdige vormalige Rhombergfabrik), geht’s recht ungemütlich zu. In der Zelle eines italienischen Kerkers spielt sich das innere Drama des Erinnerns an ein gescheitertes Leben ab, alle Figuren der Vergangenheit umkreisen den in steigerndem Wahn, Selbstmitleid und Trotz verharrenden Delinquenten, der einem widerwillig noch ein bisschen Mitleid und Verständnis abtrotzt. Eine eindrucksvolle Licht- und Tonkulisse (Didi Panwinkler) begleitet und erhöht die Stationen des Dramas, Robert Schmid bewältigt gestisch und verbal souverän die große Textfülle und ständige körperliche Präsenz, Peter Holzer, in seinem Zynismus eher Mephisto als der Tod, begleitet konsequent mit düsterer Würde den Mörder bis zum Schluss, Christine Gollner ist die ungemein stark und glaubwürdig agierende Stiefmutter, so wie Traudl Lener die am Sohn und Schicksal verzweifelnde Mutter. Natalie Kluckner setzt geschickt ihren Part als Ehefrau des Unglückseligen, Caroline Knapp, Alexandra Unsinn sowie Alexandra Pittracher sind die jungen, hübschen Opfer, die als Geister der Ermordeten naturgemäß nicht mehr so knackig aussehen. Thomas Posch verwirklicht den enttäuschten Kriegskameraden, Wolfgang Schopper glaubt man den betulichen Priester mit Hang zu lieben Knaben. Werner Heinecke ist kurzfristig für einen Erkrankten eingesprungen, als 66-jähriger Debutant erstaunlich echt als herzloser Gefängniswärter. Das Erfreuliche an dieser Produktion ist, dass alle möglichen Fallen – vom Moralzeigefinger bis zum Klamauk – geschickt ausgewichen wird und somit ein nahtlos sich verdichtendes Spiel möglich wurde. Die klaren Kostüme von Christine und Natalie Kluckner sowie die Maske von Traudl Lener vermögen weiters den Eindruck von großer Professionalität zu vermitteln, obwohl der „Theaterhaufen Hall“ sich nach wie vor als Laienbühne outet, allerdings unter der offensichtlich geschulten und schöpferischen Regie eines Andy Aigner.
Peter Teyml

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